(c) IBM Corporation

Quantencomputing

Der große Geschwindigkeitsunterschied zwischen klassischen Computern und Quantencomputing resultiert aus der unterschiedlichen Struktur der Prozesse

Blog: Quantencomputing als Schlüsseltechnologie für den Flugverkehr von morgen


Datum

Autor: Dr. Joseph Doetsch, Lufthansa Industry Soutions

Vor rund hundert Jahren hat die Quantenphysik unser Verständnis der Welt grundlegend verändert. Sie zeigte, dass die Natur im Mikrokosmos nach völlig anderen Regeln funktioniert, als es das klassische Weltbild der Physik bis dahin vermuten ließ. Elektronen sind nicht nur winzige Teilchen, sondern zeigen auch Wellencharakter. Ein Teilchen kann an mehreren Orten gleichzeitig sein oder Zustände erst durch Messung annehmen. 

Diese Einsichten schienen damals paradox, haben aber den Grundstein für Technologien gelegt, welche heute unseren Alltag prägen. Ohne die Quantenphysik gäbe es keine Transistoren, die die Basis der heutigen Computerchips bilden, und keine Laser, die in der Kommunikation, der Medizin oder der Materialbearbeitung mittlerweile unverzichtbar sind. Was genau ist Quantencomputing? Warum ist das für die Luftfahrt relevant? Und wie engagiert sich die Lufthansa Group bei diesem Zukunftsthema? 

Quantencomputer: Mehr als nur schneller rechnen

Mit dem Quantencomputing öffnet sich nun ein neues Kapitel: Rechner arbeiten nicht mehr mit herkömmlichen Bits, die nur 0 und 1 darstellen, sondern mit sogenannten Qubits. Diese besitzen die bemerkenswerte Fähigkeit, gleichzeitig in einer Überlagerung von 0 und 1 zu existieren – ähnlich einer sich drehenden Münze, die eine Kombination aus Kopf und Zahl darstellt. Zudem lassen sich Qubits verschränken. Das heißt, dass zwei Qubits so miteinander verbunden sind, dass der Zustand des einen den Zustand des anderen bestimmt, selbst wenn sie sich weit voneinander befinden.

Damit eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten, die über die Leistungsfähigkeit klassischer Computer hinausgehen. Quantencomputing verspricht im Vergleich zu klassischen Computern eine exponentiell größere Rechenpower. Ein Quantencomputer kann mit nur wenigen Qubits viele mögliche Zustände gleichzeitig darstellen und somit komplexe Aufgaben viel schneller und effizienter lösen als klassische Systeme. Besonders bei Optimierungsproblemen, bei denen unzählige mögliche Lösungen durchdacht werden müssen, liegen die Stärken.

 

Quantencomputer:
Klassischer Computer:
Rechnet mit Qubits, die eine Überlagerung von 0 und 1 darstellen könnenRechnet mit Transistoren, die entweder 0 oder 1 darstellen können
Die Leistung steigt exponentiell mit der Anzahl der QubitsDie Leistung steigt in einem Verhältnis von 1:1 mit der Anzahl der Transistoren
Quantencomputer haben zur Zeit noch hohe Fehlerquoten und müssen meist extrem kalt gehalten werdenKlassische Computer haben niedrige Fehlerquoten und können bei Raumtemperatur betrieben werden
Gut geeignet für Aufgaben wie Optimierungsprobleme und QuantensimulationenDie meisten alltäglichen Prozesse lassen sich am besten mit klassischen Computern bewältigen

Der große Geschwindigkeitsunterschied zwischen klassischen Computern und Quantencomputing resultiert aus der unterschiedlichen Struktur der Prozesse.

 

Warum ist das für die Luftfahrt relevant?

Die Luftfahrt ist eine Branche voller komplexer und dynamischer Systeme. Von der Flugplanung über den Passagierfluss bis hin zur Bodenlogistik gibt es zahlreiche Herausforderungen, bei denen selbst kleinste Optimierungen Auswirkungen auf die Effizienz, die Kosten und die Umwelt haben können.

Zwei Beispiele aus dem Flugbetrieb:

  • Gate Assignment – das Gate-Puzzle

Die Planung, welches Flugzeug an welchem Gate parkt, ist eine logistische Meisterleistung. Eine Rechnung verdeutlicht die Dimensionen: Bei fünf möglichen Gates und einem Flugzeug gibt es nur fünf Zuordnungsmöglichkeiten. In diesem Fall hat die Flugleitung leichtes Spiel. Bei fünf Gates und zwei Flugzeugen sind schon 25 Varianten möglich. Allerdings sind Airports in der Regel größer. Bei 15 Gates und zehn Flugzeugen gibt es bereits über 570 Milliarden Möglichkeiten. Quantenalgorithmen könnten hierbei helfen, in Sekundenschnelle die beste Lösung zu finden – flexibler und robuster gegenüber unerwarteten Ereignissen als heutige Systeme.

  • Flugroutenplanung – das Wettrennen um die beste Route

Flugzeuge sollen sicher, schnell, kraftstoffsparend und möglichst umweltfreundlich ans Ziel kommen. Doch der optimale Flugweg hängt von vielen Faktoren ab: dazu gehören Wetter, Verkehrslage in der Luft, geopolitische Einschränkungen, Höhenprofile und Windströmungen. Quantencomputing verspricht, auf diese Komplexität nicht nur schneller, sondern auch flexibler zu reagieren, beispielsweise bei kurzfristigen Umplanungen.

Quantencomputing als Schlüsseltechnologie für eine nachhaltigere und effizientere Luftfahrt

Dank ihrer Fähigkeit, große Datenmengen und komplexe Systeme simultan zu analysieren, können Quantenalgorithmen dabei helfen, Ressourcen effizienter zu nutzen, Emissionen zu senken und den Betrieb gleichzeitig zuverlässiger zu gestalten.

Obwohl Quantencomputer noch nicht in der Breite einsatzbereit sind, laufen weltweit zahlreiche Forschungsprojekte und Pilotstudien. Hier werden mögliche Anwendungen erprobt, oft in hybriden Systemen, in denen klassische Computer mit Quantenprozessoren zusammenarbeiten, um Teilprobleme zu lösen. Auch in der Lufthansa Group werden solche Projekte durchgeführt und ausgewertet. So arbeitet das Quantum-Team der Lufthansa Industry Solutions gemeinsam in zwei Forschungsprojekten an der Optimierung der Flugroutenplanung und weiteren Themen. Der Fokus liegt dabei darauf, das Potenzial zu verstehen, die Technik frühzeitig zu testen und Anwendungsfelder für die kommenden Jahre zu identifizieren.

Noch sind voll leistungsfähige Quantencomputer in der Entwicklung. Doch diese schreitet rasant voran. Quantencomputing könnte in den kommenden Jahren zu einem Schlüssel für eine intelligentere, nachhaltigere und robustere Luftfahrt werden. 

Mehr Information

Mehr zum Thema Quantencomputing bei unserem Mitglied Lufthansa industry Solutions finden Sie hier.