Simon Krasowski

Head of Digital Transformation, Diehl Aviation

„Innovation für jeden ist Innovation für niemanden“

Hamburg Aviation Serie "Standortpiloten" - Folge 16

„Simon? Ne, den finden Sie da hinten im Turm!“ Möchte man Simon Krasowski auf Finkenwerder besuchen, kann man die Firmenzentrale von Diehl Aviation im Hein-Saß-Weg direkt wieder verlassen. Tatsächlich hat sich der Head of Digital Transformation mit seinem jungen Team nämlich ganz bewusst für einen Arbeitsplatz außerhalb des Arbeitgebers entschieden. In dem von weithin sichtbaren HDW Gebäude direkt an der Rüschpark-Fähre, bei dessen Betreten unweigerlich 60er-Jahre Feeling aufkommt, hat sich der 39-jährige mit seinen aktuell sechs Kollegen eine Bürofläche mit schönstem Elbblick gesichert. Gemeinsam mit seiner Architektin Siw Matzen hat Krasowski versucht, „rauszuholen, was geht“, aus dem zunächst unscheinbaren Office. Das Resultat – ein offener Raum mit Graffiti, Sitzsäcken, Barhockern und beschreibbaren Wänden – gibt wieder, was Krasowskis Team hier für Diehl schaffen möchte: Etwas Neues.

Warum man ihn für die Mission „Digitale Transformation“ ausgewählt habe? Das wisse er selbst nicht so genau, scherzt Simon Krasowski. Er ist in Danzig geboren, zog aber bereits im Alter von sechs Jahren mit seiner Familie nach Hamburg. An der FH Wedel hat er Wirtschaftsingenieurwesen studiert. „Ein typisches Studienfach, mit dem man alles und nichts machen kann“, schmunzelt er. Airbus als Arbeitsgeber habe ihn interessiert, weil ihn der internationale Kontext des Unternehmens reizte. Gesagt, getan: schon während des Studiums geht es zum Flugzeugbauer nach Bordeaux, gefolgt von der Diplomarbeit am Stammsitz in Toulouse. Zurück in Hamburg startet er bei Airbus im Engineering und verschiedenen Programmanagementjobs. Wo bei manchen die Karriere am Kreetslag erst richtig losgeht, ist Krasowski nach sieben Jahren klar: Er möchte noch etwas Anderes kennenlernen. 2010 folgt der Wechsel zu Diehl Comfort Modules, wo er zuerst im Bereich Customer Support tätig ist, um ab Anfang 2011 als Programmleiter die Verantwortung für alle Kundenprojekte zu übernehmen. Dort erlebt Krasowski erstmals eine tiefgreifende Reorganisation, als sich sein Team dem starken Ratenhochlauf bei allen Airbus Programmen stellen muss. Es gilt, neue Prozesse einzuführen und die Mitarbeiter zu motivieren. Im April 2017 folgt schlussendlich der Ruf ins Thema Digitale Transformation, der einen Wechsel aus der operativen in die strategische Ebene mit sich bringt. Spätestens jetzt wird klar, warum er der richtige Kandidat für den digitalen Wandel zu sein scheint, die den Teilkonzern mit Standorten in Hamburg, Laupheim, Gilching und Überlingen in den nächsten zehn Jahren unter anderem zur Nummer Eins für digitale Kabinenlösungen machen soll: Veränderung liegt ihm.

Standortpiloten

  • Folge 016
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Simon Krasowski
Head of Digital Transformation
Diehl Aviation

Eines der „Spielfelder“ beschäftigt sich mit der Verbesserung des Produktionsablaufs (Diehl möchte die Prozessdurchlaufzeiten in den nächsten Jahren um 50 % reduzieren) mithilfe der Nutzung moderner Technologien und der Digitalisierung analoger Prozesse. Diehl nenne diesen Prozess ,Better Business‘, erklärt Krasowski. So rufen die Mitarbeiter an den ersten Standorten schon seit längerem ihre Arbeitspläne digital ab, ihre Fähigkeiten sind im System an der Werkbank hinterlegt und die Arbeitsschritte werden entsprechend der Expertisen zugewiesen.

Ein weiterer Bereich konzentriere sich auf ,New Business‘. „Die Luftfahrt war sehr lange mit sich selbst beschäftigt, denn das Wachstum war so stark, dass in erster Linie auftragsbezogen gefertigt wurde. Dass nebenbei die digitale Transformation all unserer Lebensbereiche eingesetzt hat, haben wir erst circa 2015 richtig erkannt, als in anderen Branchen kundenzentrierte Geschäftsideen aufkamen und etablierten Unternehmen plötzlich das Wasser abgegraben haben“.  Beim Deutschen Tag der Luft- und Raumfahrtregionen 2018 erläuterte Krasowski als Speaker diesen Shift am Beispiel der Firma Nokia: Die Geschichte des einstigen Mobilfunk-Königs ist die eines erstaunlichen Aufstiegs - und eines bitteren Niedergangs. Das Unternehmen war einst weltweit dominierender Handy-Hersteller, unterschätzte dann aber die Strahlkraft des agilen Konkurrenten Apple und deren Idee des Smartphones. Nokias Vormachtstellung schmolz dahin und der Konzern rutschte in die Bedeutungslosigkeit. Im Zentrum von „New Business“ stehe entsprechend ein Perspektivwechsel für Diehl: „Wir waren die letzten Jahre sehr fixiert auf die OEMs, die nun mal unsere Hauptkunden sind. Nun wollen wir auch die Bedürfnisse von weiteren Kunden und Nutzern entschlüsseln“, erklärt Krasowski. „Aktuell arbeiten wir an einem Assistenten, der die Arbeitsabläufe der Crew in der Kommunikation mit der Kabine erleichtert“, fährt er fort. Ebenso wie Airlines sollen MRO-Kunden, die die Produkte im Retrofit verbauen und natürlich Passagiere, die die Produkte täglich nutzen, langfristig Zielgruppen des Geschäftsbereichs werden. Für Passagiere könnten beispielsweise buchbare Handgepäckfächer spannend werden, prognostiziert der Leiter des Innovationsteams, welches in den nächsten Monaten auf zehn Kollegen wachsen soll.

Simon Krasowski ist eine lockere Stimmung im Team wichtig. Man duzt sich, ehemalige Mitarbeiter werden mit einer bunten Bilder-Collage an der „Wall of Fame“ verewigt. Neben Diehl-Mitarbeitern gehören zur Taskforce ebenso viele Studierende, darunter Ingenieure, Wirtschaftswissenschaftler, aber auch Psychologen. „Dieses Aufbrechen alter Denkmuster gehört mit zum Kulturwandel“, sagt Krasowski undnennt damit eine dritte, wichtige Säule im Transformationsprozess von Diehl. Auch die Etablierung einer Fehlerkultur in das Denkmuster des Konzerns gehöre dazu. „‘First time right‘ ist immer noch eine vorherrschende Maxime in der Luftfahrt. Schnelles Ausprobieren, anpassen und ggf. wieder einstampfen, wenn es nicht ausreichend skaliert gibt es somit in der Hinsicht noch nicht“, erklärt Krasowski. „Wer in dieser komplexen Welt immer noch glaubt, mit ausschließlich alten Lösungsmustern erfolgreich zu werden, der bleibt auf der Strecke“, schlussfolgert er.

So motiviert das Team von Simon Krasowski sich dem digitalen Wandel stellen mag, so realistisch bleibt der Teamleiter. „Innovationen für jeden sind Innovationen für niemanden. Wenn man es allen recht machen will, kann keiner etwas anfangen. Deshalb schauen wir immer zuerst auf das spezifische Problem, bspw. eines Werkers, und die individuelle Lösung“. Simon Krasowski sei gespannt, wie sich der Wandel im Unternehmen in den nächsten Jahren durchsetzen werde. „Wenn alle begreifen, dass hier weder Einkaufskosten noch Maschinenzeiten als Erfolgsmesser dienen können, sind wir schon mal auf der sicheren Seite“ und setzt fort: „Die größte Herausforderung bei der Implementierung solcher Prozesse ist es, dass die Mitarbeiter ausreichend Ressourcen und Freiraum bekommen.“ Nicht zuletzt sei auch dies ein entscheidender Part des Kulturwandels, so Krasowski, der seinen eigenen Freiraum auf einem Segelboot findet, dass er sich mit Kollegen teilt. Gemeinsam Segel setzen und drauf los – das ist genau sein Thema.

 

Digitalisierung? Das durchdringt die Hamburger Luftfahrt gerade überall. Aber wie wird sie konkret bei Diehl Aviation umgesetzt? Simon Krasowski führe an Innovationsprozessen zusammen, was verschiedene Abteilungen bereits hier und da für sich „im stillen Kämmerlein“ ausprobiert haben, erklärt er. „Oft wusste das eine Team nicht von der Idee des anderen. So kam der Gedanke, einen zentralen Innovationsspielplatz zu schaffen“, rekapituliert Krasowski den Startschuss der Taskforce. „Natürlich hat man am Anfang überlegt, ob es unser ‚Kreativlabor an der Elbe‘ überhaupt braucht. Das haben wir offen mit allen Ebenen diskutiert und uns dafür entschieden. Dass alle mitreden durften, hat schon mal für Akzeptanz im Konzern gesorgt“, freut sich der Head of Digital Transformation. „Zunächst haben wir dann unseren digitalen Ist-Reifegrad an den einzelnen Standorten analysiert. Daraufhin wurden Handlungsfelder identifiziert und am Ende einzelne Themen, sogenannte ‚Playing Fields‘ herausgegriffen.“ Startet ein Innovationsprojekt, erarbeitet Krasowskis Team zunächst mit den Verantwortlichen in den Abteilungen einen Einseiter, der aufzeigt, warum diese Idee vorangetrieben werden sollte. Im sogenannten Digital Hub, dem Innovationsgremium von Diehl, können quartalsweise solche Ideen in einem Pitch vorgestellt werden. Setzt sich die Idee erfolgreich durch, geht es in die Umsetzung.