Geschäftsführer, ZAL Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung
Hamburg Aviation Serie "Standortpiloten" - Folge 7
Loopings, Rollen, waghalsige Manöver - Roland Gerhards behält das Steuer trotzdem fest in der Hand. Seit seiner Jugend ist der ZAL-Geschäftsführer passionierter Flieger, seit zehn Jahren spezialisiert er sich im Kunstflug. "Ups and Downs trainiere ich regelmäßig in der Luft. Diese Erfahrung nützt mir auch in meinem Beruf am Boden: Ruhe bewahren auch in stressigen Situationen, immer die Orientierung behalten und den Überblick von oben haben", schmunzelt er.
Das ZAL, Hamburgs Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung, hat er als Geschäftsführer in den letzten Jahren durch einige Manöver gesteuert. Jedoch mit Erfolg: Zum Jahresanfang 2016 ist das ZAL TechCenter in Finkenwerder nach mehrjähriger Bauphase bezugsfertig geworden. Mit dem neuen Forschungszentrum, das 600 Arbeitsplätze auf 25.000 Quadratmetern bietet, steigt Hamburgs Luftfahrt beim Thema angewandter Forschung endgültig in die weltweite Champions League auf. Alle großen Namen der hiesigen Luftfahrt - seien es Airbus, Lufthansa Technik, das DLR, die Universitäten oder Diehl - sind künftig im TechCenter vertreten um die neuen Infrastrukturen für gemeinsame Innovationsprojekte zu nutzen.
Auf sechs Forschungsfelder, die sogenannten Technical Domains, konzentrieren sich ZAL und das neue Gebäude, darunter Themen wie Flugzeugkabinen, Brennstoffzellen oder neue Fertigungsmethoden. Den Forschungspartnern stehen dafür Testinfrastrukturen wie die turnhallengroße Akustikkammer, ein Virtual-Reality-Raum oder ein Teststand für Flugzeugrümpfe zur Verfügung. Letzterer ist mit den Kabinenquerschnitten aller modernen Verkehrsflugzeuge, bis hin zum Airbus A380, kompatibel. Auch ein großes Auditorium gehört zum neuen Forschungszentrum, das auch von externen Partnern für Veranstaltungen genutzt wird: beispielsweise im Rahmen des Hamburg Innovation Summits im Mai 2016. Der begeisterte Pilot und Geschäftsführer hat es sich zudem nicht nehmen lassen, einige luftfahrtspezifische "Extras" zu integrieren, wie die Parkplatzbeschilderung in Vorfeld-Optik und blaue Taxiway-Lichter, die den Besucher in der Dunkelheit zum Haupteingang leiten.
Die von Roland Gerhards geführte ZAL GmbH ist der Betreiber des TechCenters samt der Testinfrastrukturen. Zudem ist sie für die übergreifende Koordination von Forschungsprojekten am Standort zuständig. Derzeit sind etwa 30 Mitarbeiter direkt für das ZAL tätig, 20 weitere sollen im Laufe der Zeit noch eingestellt werden. "Wir möchten unsere Technologien künftig durch unser eigenes Know-How nach vorne bringen und unsere Netzwerkrolle stärker ausfüllen", sagt Gerhards.
Erstmal, so der Geschäftsführer, soll es nun jedoch darum gehen, "das Ding zum Fliegen zu bringen". In den letzten drei Jahren habe er den Großteil seiner Zeit mit Gebäudethemen verbracht. "Jetzt ist das Gebäude fertig, jetzt rückt endlich wieder die Technologie in den Vordergrund. Das macht die kommende Zeit auch für mich noch einmal spannend, und es ist auch das, was ich ursprünglich am besten kann", freut sich der 47-jährige.
Alles im Blick: Roland Gerhards in der Bauphase des ZAL
Richtfest ZAL TechCenter November 2014
Vogelperspektive: ZAL TechCenter Sommer 2015
Roland Gerhards, Geschäftsführer, ZAL Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung
An meinem Beruf mag ich besonders gerne, dass wir hier den Freiraum haben, Sachen voran zu treiben“. In weniger als zwei Jahren hat sich das ZAL zu einem weithin sichtbaren „Leuchtturm“ für Forschung und Entwicklung entwickelt. Für solche Großprojekte braucht man Leidenschaft und Engagement. Beides hat Roland Gerhards – als Geschäftsführer des ZAL und als Kunstflugpilot. Filmproduktion: Simon & Paul www.simonundpaul.com
Bevor er den ZAL-Posten im Mai 2012 übernahm, war der studierte Luft- und Raumfahrtingenieur 15 Jahren in verschiedenen Positionen bei Airbus in Hamburg und Toulouse tätig, erlebte von der EADS-Gründung bis hin zu den Schwierigkeiten in der Flugzeugelektrik bei der A380-Entwicklung vieles aus erster Reihe mit. Zuletzt war er Leiter der Rumpfentwicklung für die A330 und leitete ein 300-köpfiges Team.
"Auf die Führungs- und Technologieerfahrungen, die ich von Airbus mitgebracht habe, habe ich auch jetzt gut aufbauen können", meint Gerhards, der neben dem deutschen Ingenieursdiplom auch einen amerikanischen MBA besitzt. Ausgebaut habe er dagegen vor allem seine juristischen Kenntnisse, insbesondere in der Phase, in der das Finanzierungskonzept überarbeitet werden musste. Der Spaß am Job sei ihm trotzdem nie verloren gegangen. "Mag sein, dass ich zwischendurch zwei, drei Mal in die Tischkante gebissen habe. Aber ich bin Optimist und habe auch in schwierigen Zeiten niemals am Projekt ZAL gezweifelt", so der Geschäftsführer.
Spaß am ZAL hätten inzwischen auch die außenstehenden Personen: "Wirklich jeder, der das ZAL TechCenter zum ersten Mal mit eigenen Augen sieht, ist vom Gebäude begeistert", schwärmt Gerhards. Neben dem ZAL-Gebäude gehe es aber auch um das dahinter stehende Konzept: "Das ZAL ist eine einmalige Chance für Hamburg, eine neuartige Art der Zusammenarbeit in der Luftfahrtforschung zu etablieren und den Standort damit langfristig abzusichern. Das ZAL muss leisten, einerseits Standortsicherung für die Politik zu sein, und andererseits wirtschaftlichen Erfolg durch Forschungsergebnisse in der Industrie zu erzielen. Das ist das Spannungsfeld, in dem sich das ZAL bewegt und der Maßstab, an dem sich das TechCenter und unsere GmbH messen müssen."
Bereits in drei bis fünf Jahren möchte Gerhards so weit gekommen sein, dass im ZAL entstandene Produkte reif für einen Einsatz in der Luftfahrt sind. "Wir konzentrieren uns, wie der Name schon sagt, um die Angewandte Luftfahrtforschung, auf Produkte und Konzepte, die ihren Weg in die Umsetzung finden sollen. Forschung um der Forschung Willen werden wir nicht machen!"
Dazu gehöre auch, Forschungsschwerpunkte wieder aufzugeben, wenn es die Entwicklung verlange. "In 10 Jahren wird sich die Industrie vielleicht ganz anders darstellen. Vielleicht gibt es neue Dynamik durch neue Flugzeugprogramme - dann müssen wir flexibel sein und in der Lage, Flächen kurzfristig neu zu verwenden. Vielleicht müssen wir ja auch das Gebäude noch mal ausbauen - obwohl, davon habe ich erstmal genug", lacht der Geschäftsführer.
Konkretes 10-Jahres-Ziel sei es jedoch, das ZAL zu einer weltweit bekannten und in der Luftfahrtindustrie fest verankerten Größe zu formen. Und trotzdem nebenbei noch genug Zeit zu finden zum Fliegen. In der heißen Bauphase der letzten Monate sei dies etwas zu kurz gekommen, meint Gerhards. Er habe jedoch schon ein wenig vorgesorgt: Seit Ende Oktober 2015 sei er im Besitz der Nachtflugberechtigung, sodass er theoretisch auch noch nach Feierabend fliegen kann. Zwar keine Loopings, Rollen und waghalsige Manöver, aber immerhin.
Text: Lukas Kirchner