Susanne von Arciszewski

Leiterin Ausstattungsmontage A380-Endlinie (bis 30.09.2014), Airbus Operations GmbH

"Karriere als Frau? Nur in der Schneiderei oder in der Großküche"

Susanne von Arciszewski hat sich davon nicht abschrecken lassen - und bei Airbus eine beeindruckende Karriere hingelegt. "Da hat mir sicherlich meine Sturköpfigkeit geholfen", lacht sie.

Susanne von Arciszewski: "Mehr Persönlichkeiten!"

Hamburg Aviation Serie "Standortpiloten" - Folge 2

Auf den ersten Blick ist es eine Personalie, wie man sie regelmäßig zu lesen bekommt: Dass Susanne von Arciszewski, Leiterin der Ausstattungsmontage in der A380-Endlinie bei Airbus, das Unternehmen zum 30. September 2014 in den Ruhestand verlassen hat. Die nüchternen Zeilen aber täuschen hinweg über eine Persönlichkeit, deren Berufsweg außergewöhnlich, spannend, und immer auch ein Spiegelbild der Entwicklung des Luftfahrtstandorts Hamburg war. Grund genug, die Geschichte Susanne von Arciszewskis  zum Abschied noch einmal zu erzählen.

Sie beginnt im Jahr 1979: Als Susanne von Arciszewski als junge Ingenieurin nach Finkenwerder kommt, kommt auch der Bundeskanzler aus Hamburg; er heißt Helmut Schmidt. Eine der wichtigsten Verbindungen am Hamburger Airport geht nach West-Berlin und wird von Pan Am geflogen. Und an den Airbus-Hallen in Finkenwerder prangt zu diesem Zeitpunkt noch der Name MBB. Unter ihren neuen Kollegen ist Susanne von Arciszewski die einzige Frau, aber das kennt sie bereits aus ihrem Maschinenbau-Studium in Saarbrücken. Im Mitarbeitergespräch fragt sie ihren Vorgesetzten nach möglichen Karrierewegen im Unternehmen. Er empfiehlt ihr den Wechsel in die Schneiderei oder die Großküche. Für alles andere sei sie als Frau leider nicht geeignet.

Standortpiloten

  • Folge 002
Susanne von Arciszewski - cc-by Airbus Operations GmbH
Susanne von Arciszewski
Leiterin Ausstattungsmontage A380-Endlinie (bis 30.09.2014)
Airbus Operations GmbH

"Vor den Bugrädern zu stehen, bevor die Flieger davon rollen - ein großartiges Gefühl!"

Nach dem erfolgreichen Aufbau der A320-Familie wurde bei Airbus ein weiteres Mammutprojekt auf den Weg gebracht, das nicht nur den Alltag in Finkenwerder, sondern den kompletten Luftfahrtstandort mit seinen Zuliefererstrukturen nachhaltig prägen sollte: die A380. Das Flaggschiff wurde gleichzeitig auch zum Höhepunkt in von Arciszewskis Laufbahn. 2008 wurde sie zur Leiterin der Ausstattungsmontage in der A380-Endlinie berufen. In dieser Position, die sie bis zu ihrem Ausscheiden im Herbst 2014 bekleidete, verantwortete sie die komplette Kabinenausstattung und führte ein Team von nicht weniger als 600 Mitarbeitern.

"In diesem Bereich wird im Prinzip alles eingebaut, was der Passagier später zu Gesicht bekommt: Küchen, Toiletten, Sitze, Seitenverkleidungen und Gepäckfächer. Und wenn alles drin ist wird getestet, damit später auch die Entertainmentangebote für den Fluggast funktionieren" sagt von Arciszewski. Das  Team schafft die Komplettausstattung der A380 inzwischen binnen 6 Wochen. Zwei Drittel der Arbeit passiert dabei in der Regel vor dem Gang in die Lackierhalle. An diesem Punkt setzen sich die Kabinenausstatter noch einmal vor Ort mit dem Airline-Kunden zusammen, gehen durch die Maschine und notieren, welche Punkte und Wünsche noch offen sind. Nach der Fertigstellung im letzten Drittel gibt es dann noch eine Endabnahme durch den Kunden.

"Die A380 ist und bleibt etwas Besonderes"

"Auch wenn wir Dutzende Flugzeuge ausgeliefert haben: Die A380 ist und bleibt etwas Besonderes, auch für die Airbusianer" sagt die Ingenieurin, die 35 Jahre Airbus-Geschichte miterlebt hat - eine Zeit, in dem der Standort auf die doppelte Größe angewachsen ist. Doch nicht nur wirtschaftlich stünde das Unternehmen heute besser da: "Als meine Kinder Anfang der 80er Jahre geboren wurden, konnte man frühestens ab 3 Jahren nach einem Kita-Platz fragen. Ich hatte das große Glück, dass mein Ex-Mann damals die Rolle des Hausmanns übernommen hat. Heute sind die Rahmenbedingungen deutlich besser, für Männer und für Frauen" sagt Susanne von Arciszewski.

Als eine der wenigen weiblichen Ingenieure, die es hierzulande in die Führungsriege eines großen Unternehmens geschafft haben, hat sie bereits viel mediale Aufmerksamkeit bekommen. Insbesondere, da sie klare Positionen vertritt, wie etwa gegen die Einführung einer Frauenquote: "Ich finde dass die Diskussion der Wahrnehmung von Frauen in der Arbeitswelt gut tut. Auch Netzwerke wie Hamburg Aviation WoMen, in dem ich selbst aktiv bin und in dem Frauen mit völlig unterschiedlichen Hintergründen zusammenkommen, sind toll. Frauen sollten aber letztlich nicht mit einer Quote nur durch ihr Geschlecht bevorzugt werden. Es sollte allein die Leistung zählen."

"Was mir heute fehlt, sind Persönlichkeiten"

Der nachfolgenden Generation im Arbeitsmarkt rät sie, die Fähigkeit zum Anecken nicht zu verlieren und auch mal mutig zu sein, beispielsweise in der Diskussion mit Vorgesetzten. "Was mir heute fehlt, sind Persönlichkeiten. Menschen, die mitreißen können, die mit ganzem Herzen hinter ihrem Produkt stehen, aber auch hinter dem Standortprodukt Hamburg", sagt von Arciszewksi. "Mein Eindruck ist: Solche Persönlichkeiten hatten wir früher mehr."

Künftig ganz verschwinden wird die Persönlichkeit Susanne von Arciszewski selbst nicht: Sie übernimmt nun den Vorstandsvorsitz der Jugendbildungsstätte Juist, seit vielen Jahren eine feste Station der Dualen Studenten und Auszubildenden von Airbus. Auch im Lion's Club wird sie sich stärker sozial engagieren. "Ich werde genug zu tun haben", ist sie sich sicher. Ein bisschen Abschiedsschmerz ist trotzdem da: "Ich werde mein Team vermissen. Und die Möglichkeit, einfach mal in die Halle zur A380 zu gehen" sagt sie. Ihr letztes Projekt, bevor sie den Staffelstab an ihren Nachfolger - übrigens aus der eigenen Abteilung - übergab, war die Ausstattung der Residence-Kabine in der ersten A380 für Etihad. Ein weltweit beachtetes Prestigeprojekt oberhalb der First Class-Kategorie, das die Messlatte für Kabinenprodukte international noch einmal deutlich nach oben geschoben hat. Und zugleich: ein würdiger Schlusspunkt für Susanne von Arciszewki am Hamburger Luftfahrtstandort.

"Immer wenn mir jemand etwas nicht zugetraut hat, habe ich es als Herausforderung angenommen, genau das zu schaffen." Doch sie gibt zu: "Mich als "Nicht-Mann" in der Führungsebene durchzusetzen, war für mich die größte berufliche Herausforderung in all der Zeit. Es ist nicht so, dass ich einen besonders schweren Stand hatte - die Rahmenbedingungen waren früher einfach anders. Doch die Zeiten haben sich geändert und ab einem gewissen Punkt hatte ich dann auch Förderer, die mich unterstützt haben."

Anfang der 1990er Jahre brach mit dem Aufbau der A321-Endmontage ein neues Zeitalter am Airbus-Standort Finkenwerder an, und parallel führte auch Susanne von Arciszewskis Weg deutlich weiter nach oben. Sie wurde mit dem Aufbau der Flightline betreut, anschließend leitete sie den Bereich Maintenance im Auslieferungszentrum, wo sie direkten Kontakt zu den Airline-Kunden hatte. "Das war meine beruflich spannendste Phase" resümiert von Arciszweski. "Vor den Bugrädern zu stehen, bevor die Flieger in ihre neue Heimat davon rollten, das war ein großartiges Gefühl."