Er zählt zu den begehrtesten Gütesiegeln der internationalen Luftfahrtindustrie – der Crystal Cabin Award. Nun stehen die Finalisten um eine der Trophäen für die besten Flugzeugkabinen-Ideen fest. In den acht Kategorien liefern sich insgesamt 24 Finalisten ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Dabei waren die Plätze 2020 umkämpft wie nie: Ganze 105 Shortlist-Bewerbungen wurden von der internationalen Experten-Jury gesichtet und bewertet – Rekord in der vierzehnjährigen Crystal Cabin Award-Geschichte. Airlines, Hersteller, Zulieferer und Universitäten aus der ganzen Welt finden sich in der letzten Runde. Wer von den Nominierten auf das Siegertreppchen tritt, entscheidet sich am 31. März in Hamburg im Rahmen eines prominent besetzten Galadinners und zeitgleich zur Weltleitmesse Aircraft Interiors Expo.
Die Finalisten im Überblick: Acht Kategorien, 24 Innovationen
In der Kategorie „Kabinenkonzepte“ trifft Zukunft auf Luxus: Die 777X Sky Architecture von Boeing in Kooperation mit Teague ermöglicht ein flexibles „Mix and Match“ verschiedener Kofferfach- und Deckenkonfigurationen in der Flugzeugkabine. The Loft von Virgin Atlantic in Kooperation mit AIM Altitude, Factorydesign, Boltaron, Isovolta, Mankiewicz UK und F.H. Lambert, kreiert für die erste A350-1000 der Airline, begrüßt im Eingangsbereich zunächst alle Passagiere mit stimmungsvollem Licht und verwandelt sich während des Flugs in einen exklusiven Lounge- und Barbereich für die höheren Buchungsklassen. Der erste rein elektrisch betriebene Regionaljet Alice des israelischen Unternehmens Eviation Aircraft und Almadesign aus Portugal wurde erstmals auf der Paris Airshow 2019 präsentiert und soll zukünftig neun Passagiere über eine Strecke von bis zu 1000 Kilometern befördern. Für das innovative Kabinenkonzept mit Fischgrät-Anordnung der Sitze geht es ins Finale des Crystal Cabin Awards.
Einen Blick in die Zukunft werfen auch die Finalisten in der Kategorie „Visionary Concepts“: Airbus stellt mit seiner AirspaceCabin Vision 2030 eine Erweiterung des „Airspace“-Konzepts vor, das die Kabine mit flexibleren Sitz- und Schlafkonfigurationen sowie Lounges mit auswechselbaren Modulen ausstattet. Die Küchenzeile im Flugzeug, ebenso die Art und Weise, wie Passagiere ihr Essen serviert bekommen, hat sich seit den 1960ern kaum verändert. Geht es nach dem ARCAGalley System von AIM Altitude, kommt zukünftig ein wenig „Meal Prep“ ins Flugzeug: anstelle von Tabletts, werden dem Passagier zuvor online ausgewählte Essens-Pakete gereicht, die sich in der neu konfigurierten Küche praktisch stapeln lassen. Das spart Platz und schont die Umwelt, denn die Lunchboxen lassen sich recyclen. Bequem wird es für den Passagier auch mit dem Galaxy-Sitz von AirGo Design. Erdacht für Langstrecken, die bald auch mit Single-Aisle-Flugzeugen wie dem Airbus A321XLR bedient werden sollen, lässt er sich vollständig zurückklappen und durch Trennwände ins private Schlafgemach umwandeln - bei einer smarten Platzverteilung in der schmalen Kabine.
Von visionären Ideen zu Herausforderungen, denen wir uns bereits heute stellen müssen: Die Crystal Cabin Award Finalisten in der Kategorie „Grünere Kabine, Gesundheit, Sicherheit & Umwelt“widmen sich den Ansprüchen unserer Zeit aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Die Greywater Reuse Unit von Diehl Aviation ermöglicht es, anstelle kostbaren Trinkwassers das Handwaschwasser aus dem Waschbecken für die Toilettenspülung zu nutzen. Ergebnis: Das Flugzeug muss weniger Wasserreserven mitführen und wird deutlich leichter. Bei einer Boeing 787 bedeutet dies bis zu 550 Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr. Ressourcen sparen liegt auch bei Finalist PriestmanGoode auf dem Teller. Ab dem Moment, an dem man heute im Flugzeug den ersten Drink bekommt, ist der Plastikverbrauch pro Passagier enorm. Das ZERO Economy Meal Tray verspricht vollständig essbare, kompostierbare oder wiederverwendbare Materialien auf dem Tablett. Letzteres ist übrigens aus Kaffeepulver gefertigt. Sie können die Durchsagen der Crew nicht verstehen? Für den normal hörenden Passagier ist dies oft eine lästige Begleiterscheinung von Umgebungsgeräuschen, für den Hörgeschädigten jedoch eine unüberwindbare Herausforderung. ATR und Kooperationspartner Bacqueyrisses gehen ins Finale des Crystal Cabin Awards mit der ersten, wie ein Kissen auf die Kopfstütze gelegten Hörhilfe. Audioback® verbindet sich mit dem Hörgerät des Passagiers und lässt ihn an der Bordkommunikation teilhaben.
Für ein inklusives Passagiererlebnis sorgt auch die Crystal Cabin Award Finalistin Ciara Crawford in der Kategorie Passagierkomfort – Hardware. Ihr Rollstuhl erspart es körperlich eingeschränkten Passagieren, zwischen Gate und Flugzeug auf verschiedene Rollstühle umsteigen zu müssen. Der beim Check-In bereitgestellte Row 1 Aircraft Wheelchair lässt sich an Bord einfach über den Flugzeugsitz schieben. Wer sich daheim gerne mit der ganzen Familie ins Bett kuschelt und auch in der Economy Klasse nicht darauf verzichten möchte, freut sich über die Idee von Finalist Adient: Diese verleiht der Sitzreihe hinter der Trennwand zur Business Class, auch „bulkhead seats“ genannt, mit „SFASpace for All“ einen neuen Ausfahrmechanismus, so dass eine ganze Liegewiese für Eltern und Kinder entsteht. Auch einzelne Sitze können in der Reihe zum Bett umgebaut werden. Um den Passagier in der Economy Class dreht sich auch Modulair S. Der von Safran Seats in Kooperation mit der französischen Hochschule ENCSi erdachte Sitz lässt sich mit verschiedenen Features erweitern, so dass man auch als „Holzklasse“-Passagier in den Genuss von Annehmlichkeiten wie einer Nackenstütze oder einem Tablet-Halter kommt.
Dass die Innovation oft im Detail liegt, zeigt die Schott AG in Kooperation mit PriestmanGoode, Finalisten in der Kategorie „Material und Komponenten“. Ihr Jade Reading Light geht als erstes Leselicht aus Glas ins Rennen. Es soll sich nicht nur entsprechend hochwertig wie eine Smartphone-Oberfläche anfühlen, sondern ist ebenso per Touch bedienbar. Auch das kanadische Unternehmen e₂ip technologies bringt neue Materialien in die Flugzeugkabine. Gemeinsam mit dem National Research Council of Canada präsentieren sie ein Panel auf Basis von In-Mold-Electronics (IME), also aufgedruckten Leitungen, die umfangreiche und schwere Kabinen-Elektronik einsparen. Das IME-Bedien-Element lässt sich nahtlos in seine Umgebung integrieren und für verschiedene Funktionen einsetzen wie der Einstellung des Flugzeugsitzes. Kabinenbeleuchtung, die die Farben der Airline wiedergeben oder durch verschiedene Designs und Stimmungen auf das Reiseziel einstimmen gibt es schon länger. Die Experience Line BRIDGE von Diehl Aerospace erweitert den „digitalen Dekor“ um zahlreiche Farben und Muster und macht auch die Projektion auf geschwungene Flächen möglich. Das benötigte System ist „retrofittable“, lässt sich also nachträglich in Flugzeuge verschiedener Baureihen einbauen.
Dass sich das richtige Licht auf das Wohlbefinden oder sogar den Biorhythmus des Passagiers auswirken kann, ist die Grundlage für die Produktwelten des Hamburger Startups jetlite. Ihr Konzept findet nun Verwendung im gemeinsam mit SFS Intec GmbH Aircraft Components entwickelten Kabinenwand-System lite2fix. Die Wandschalen lassen sich durch ein einfaches Klick-Verfahren in den Flugzeugrumpf einbauen und durch Beleuchtungsszenarien und Hinweis-Displays für den Passagier ergänzen. Die „alles in einem“-Idee wurde gemeinsam im ZAL Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung entwickelt und geht ins Finale in der Kategorie „Kabinen-Systeme“. SOPHY™ von Safran Cabin hat es ebenfalls erfolgreich ins Finale dieser Kategorie geschafft. Das kleine Modul wird in den Catering-Trolley integriert und gibt den Betreibern Infos über die komplette Reise des Service-Wagens: von Wartungs- über Reinigungsbedarf bis zur Auslastung. Werden die Elemente in der Kabine immer konnektiver, der Passagier wird es auch: In den nächsten zwanzig Jahren führt der Flugreisende zunehmend mehr mobile Endgeräte mit sich, was zu einer steigenden Auslastung des Datenvolumens an Bord führt. Die Next Gen Connectivity Mobile ONAIR 4G -Hardware von SITAONAIR verstärkt das Netzwerk an Bord und soll zukünftig auch 5G Connectivity über den Wolken ermöglichen.
Dem zunehmenden Streaming von Bordunterhaltung und der gleichzeitigen Nutzung von eigenen Tablets, Smartphones oder Wearables widmet sich auch Finalist JetBlue Airways, eine der Airlines, die sich dieses Jahr einer Crystal Cabin Award Trophäe nähern. Ihre Multi-Screen Experience, entwickelt mit Thales Avionics, Spafax, Viasat und Astronics, lässt den Passagier ungestört Filme gucken, surfen und kommunizieren – ob im Inflight Entertainment System im Sitz, dem eigenen Device oder beidem gleichzeitig. Spafax punktet in der Kategorie „Inflight Entertainment und Konnektivität“ gleich noch einmal: Die kanadische Content-Agentur liefert in Kooperation mit Air Canada die Daten-Analyse-Plattform Spafax IQ. Mit dieser können Airlines genauer auswerten, welche Inhalte besonders nachgefragt werden – wann und auf welcher Route. Dass der Passagier sein Board-Entertainment immer mehr über kabellose Kopfhörer genießt, stellt für viele Airlines eine Herausforderung dar, denn bis dato macht die gängige Bluetooth-Verbindung in der Kabine ab einer bestimmten Auslastung schlapp. RAVE Bluetooth von Safran Passenger Solutions schafft hier Abhilfe und verbindet das gesamte Flugzeug störungsfrei.
Auch 2020 wieder Hort kreativer Finalisten-Konzepte: Die Kategorie „Universität“. Wie bereits im Vorjahr hat es die amerikanische University of Cincinnati ins Finale geschafft. Gemeinsam mit The Boeing Company und The Live Well Collaborative verwandeln sie das Flugzeug in eine Coffee House Cabin, einer langen Tafel für Besprechungen, produktives Arbeiten und den Kaffee zwischendurch. Auch für Studierende der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) heißt es Anschnallen und ab ins Finale: Sie entwickelten mit Isotravel einen Adapter, der sich der bewährten Isofix-Technik bedient und es ermöglichen soll, den eigenen Kindersitz fürs Auto ohne fremde Hilfe sicher in der Flugzeugkabine zu befestigen. Ebenfalls wieder unter den letzten Drei: ein Studierendenteam der TU Delft. Sie kombinieren kreativ Hostel mit Zukunftsflieger und bestücken das V-förmige Konzeptflugzeug Flying V für KLM mit Collapsible beds - zusammenklappbaren Stockbetten, die sich bei Start und Landung zu Sitzen umbauen lassen.
Die Innovationen des Jahres – Die Welt schaut zu am 31. März in Hamburg
Der vom Luftfahrtcluster Hamburg Aviation initiierte Crystal Cabin Award vergibt Auszeichnungen in acht Kategorien: „Kabinenkonzepte“, „Kabinensysteme“, „IFEC“, „Grünere Kabine, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt“, „Materialien & Komponenten“, „Passagierkomfort-Hardware“, „Universität“ sowie „Visionäre Konzepte“.
Um mit einer der begehrten schneeweißen Trophäen ausgezeichnet zu werden, müssen die 24 Finalisten ihre Ideen nun noch einmal persönlich vor der 27-köpfigen internationalen Experten-Jury präsentieren. Die Siegerkür erfolgt wie in jedem Jahr im Rahmen der weltweiten Leitmesse für Flugzeugkabinen Aircraft Interiors Expo (31. März bis 2. April in Hamburg) bei einem hochkarätigen Galadinner im Großen Börsensaal der Handelskammer am 31. März. Alle Sieger präsentieren ihre Konzepte am Donnerstag, 2. April auch noch einmal auf der Hamburger Messe im Cabin Space LIVE Auditorium. Die Crystal Cabin Award Galerie mit einer Übersicht aller Finalisten befindet sich erstmals im gemeinsamen Hamburg Pavillon von Hamburg Aviation und Hanse Aerospace in Halle B6, Stand 6B90. Hier kann man auch am Crystal Cabin Award Publikumsvoting teilnehmen und ein Ticket für die Verleihung 2021 gewinnen.