Tim Nahuel Schulz von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg und Philipp Heerd von der Technischen Universität Braunschweig erhalten den Hamburg Aviation Nachwuchspreis 2021 für die beste Abschlussarbeit zu einem luftfahrtrelevanten Thema. Über den Sieg freuen sich neben den Hochschulen auch die betreuenden Unternehmen Airbus und Lufthansa Technik. Bei dem seit 2020 verliehenen Sonderpreis in der Kategorie „Grüne“ Luftfahrt überzeugt ebenfalls die HAW und Master-Absolvent Daan Hurtecant mit der Idee eines Eco-Labels für Passagierflieger. Verliehen wurden die Nachwuchspreise im Rahmen des 60. Hamburg Aviation Forums mit dem Jubiläums-Thema „Game Changer – Wo sich die Luftfahrt weiterhin fundamental verändern wird“.
Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW Hamburg) verbucht dieses Jahr gleich mehrere Trophäen für die beste Abschlussarbeit, davon eine in der Kategorie „Bachelor“. Tim Nahuel Schulz überzeugte die Jury mit dem Blick auf die Luftfahrt der Zukunft bis 2035, ausgehend von vier möglichen Szenarien, die die Branche nach COVID-19 nachhaltig verändern könnten: dem vorsichtigen Neustart, bei dem das Nachhaltig-keitsbewusstsein der Reisenden auf ein vorpandemisches Niveau zurückgeht, während das Reisebedürfnis langsam wächst; einem „Full Recovery“, geboren aus dem Optimismus der Branche, rasanter Nachfrage gerade im Bereich Business Travel und einem hohen Akzeptanzgrad für nachhaltige Lösungen wie SAF (Sustainable Aviation Fuels); einem aufkeimenden Deglobalisierungstrend, unter dem die internationale Luftfahrt und die damit verbundenen Innovationen leiden und, als letztes Szenario, dem Paradigmenwechsel zum „Sicheren Flugerlebnis“, bei dem die Gesundheit der Passagiere eine immer größere Rolle in der Entscheidung für eine Flugreise einnimmt. Mit Blick auf die Nachhaltigkeitsstrategie von Kooperationspartner Airbus und mit Unterstützung eines 22-köpfigen Expertenteam übersetzte Schulz die entwickelten Szenarien in konkrete Handlungsempfeh-lungen für Airlines. Besonderen Fokus legte Schulz hier auf die Flugzeugkabine von morgen.
Die HAW Hamburg stellt in diesem Jahr auch Platz 1 in der Sonderkategorie “Grüne“ Luftfahrt“, die seit 2020 verliehen wird. Daan Hurtecant überzeugt mit seiner Masterarbeit und der Idee eines „Eco“ Labels für Passagierflugzeuge. Dieses ermöglicht dem Fluggast, Umweltauswirkungen verschiedener Flugreisen auf der Grundlage der Kombination von Flugzeugtyp, Triebwerkstyp und Sitzkonfiguration zu vergleichen und eine Buchungsentscheidung zu treffen. Dabei berücksichtige die „Eco“-Kennzeichnung Faktoren wie den Treibstoffverbrauch, äquivalente CO2-Emissionen, die lokale Luftqualität und die Lautstärke des Flugzeugs und sei damit noch genauer als bereits existierende Gütesiegel-Ansätze. Ganze Airline-Flotten und die bestmögliche Route auf Basis dieser Nachhaltig-keitsaspekte miteinander vergleichen zu können, mache Fliegen für den bewussten Pas-sagier auch weiterhin zukunftsfähig, so Hurtecant. Das Barsbütteler Startup Green Mo-bility Interiors hat die Sonderkategorie „Grüne“ Luftfahrt initiiert und sponsert neben den 800 Euro Preisgeld über die Muttergesellschaft Krüger Aviation zudem erneut sämt-liche Trophäen für die Nachwuchspreis-Sieger.
Das erstplatzierte Konzept in der Kategorie „Master“ wurde von Philipp Heerd von der TU Braunschweig verfasst. In Kooperation mit Lufthansa Technik analysierte er die additive Fertigungsmethodik LPBF (Laser Powder Bed Fusion = metallischer 3D-Druck) und ihren potenziellen Einsatz in der Reparatur von Turbinenlaufschaufeln. Sind konventionell (per Gussverfahren) oder additiv gefertigte Bauteile nur schwer per manuellem Verfahren zu reparieren, böte sich mit dem LPBF-Verfahren eine Möglichkeit, die Funktionstüchtigkeit wieder vollends herzustellen. Die Reparaturmethodik basiere auf einer optischen Messung der beschädigten Bauteile mit anschließender automatisierter Befundung, dem Trennen des beschädigten Bauteilbereichs sowie der additiven Reparatur des Bauteils mittels LPBF. Anhand des Beispiels einer Turbinenlaufschaufel (diese rotierenden Schau-feln innerhalb der Turbine werden grundsätzlich stärker durch dynamische Kräfte beansprucht als die stationären Leitschaufeln) prüfte Heerd den Einsatz von LPBF in zwei An-sätzen: einmal unter Berücksichtigung eines schlanken Prozesses, einmal bei weniger effizienter Prozessführung und dafür positionsgenauerer Reparatur.
Den zweiten Platz in der Kategorie „Bachelor“ gewinnt Pia Allebrodt, ebenfalls von der HAW Hamburg. Zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) entwickelte sie in ihrer Arbeit unter Verwendung numerischer Simulationen eine Methode zur Untersuchung des Einflusses multiphysikalischer Effekte und Bauweisen von Flugzeugkabinen-Komponenten auf die Kabinenakustik. Die Analysen berücksichtigen dabei unterschiedliche Lastzustände der Verkleidungsbauteile, die durch Druck- und Temperaturdifferenzen zwischen Atmosphäre und Kabine während des Fluges entstehen.
Jonte Pietsch von der Technischen Universität Hamburg entwickelte im Rahmen des „EpoxySpacePrinter“ Projekts einen Slicing Algorithmus. Der 3D-Drucker wird dazu genutzt, im Flugzeugbau Leichtbauteile aus Verbundwerkstoffen herzustellen und ermöglicht somit eine Gewichtsreduktion der Bauteile. Mit der Anordnung von zwei synchronisierten Knickarmrobotern soll die Möglichkeit bestehen, auch individuelle, komplexe Teile zu drucken. Hierfür existieren aktuell aber keine geeigneten Algorithmen. Mit seinem neu entwickelten Slicing Algorithmus bietet Jonte Pietsch eine Grundlage für die benötigten Druckeranweisungen, die in verschiedene Richtungen weiterentwickelt können, und wurde Drittplatzierter in der Kategorie „Bachelor“.
Der zweite Platz in der Kategorie “Master” geht an Soufian El Allouki von der Universität Bremen. In Kooperation mit Lufthansa Technik entwickelte El Allouki in seiner Masterarbeit eine Reperaturmethodik für das bereits erläuterte LPBF-Verfahren. Sein besonderer Fokus lag auf der Identifikation und Untersuchung von Einflussfaktoren auf die Positoniergenauigkeit während der Reparatur. Daan Hurtecant gewann neben der Erstplatzierung in der Sonderkategorie „Grüne Luftfahrt“ mit seiner Arbeit auch die Drittplatzierung in der Kategorie „Master“.
In der Sonderkategorie „Grüne Luftfahrt“ ging der zweite Platz an Nathalie Reich von der Hochschule Harz für ihre Masterarbeit in Kooperation mit Airbus. Reich entwickelte insgesamt drei Konzepte zur Verbesserung der Umweltauswirkungen beim selektiven Lasersintern von Kunststoffbauteilen in der Luftfahrtindustrie. Da Auswirkungen des Verfahrens auf die Umwelt bisher unbekannt waren, führte Reich Lebenszyklusanalysen durch und gibt Handlungsempfehlungen zur Verbesserung des Prozesses. Drittplatzierter in der Sonderkategorie „Grüne Luftfahrt“ wurde Tim Nahuel Schulz.
„COVID-19 in Verbindung mit dem wachsenden Umweltbewusstsein hat zu einem erheblichen Rückgang der Passagierzahlen weltweit geführt. Dennoch ist die Luftfahrt in der heutigen globalisierten Welt nach wie vor unverzichtbar. Es braucht jetzt schlüssige An-sätze und gute Ideen, wie diese Branche nicht nur weitermachen, sondern sich mit den gegebenen Herausforderungen auseinandersetzen und sich für die Zukunft neu aufstellen kann. Hierzu braucht es die Impulse der Absolvent:innen, die auch mal kritische Fragen auf das Tableau bringen und hoch motiviert sind“, unterstreicht Jury-Mitglied Dr. Anna Bauch, Senior Manager R&T Development Germany Airbus, die Bedeutung der prämierten Abschlussarbeiten.
Die Sieger des Hamburg Aviation Nachwuchspreises Bachelor und Master dürfen sich über ein Preisgeld von je 1.500 Euro freuen, für den Sonderpreis gibt es 800 Euro sowie für alle die kostenlose Teilnahme an den Hamburg Aviation Foren des nächsten Jahres. Verliehen wird der Hamburg Aviation Nachwuchspreis von Hamburg Aviation mit Unter-stützung der Sponsoren Airbus, Krüger Aviation und Treo – Labor für Umweltsimu-lation.
Die Sieger des Nachwuchspreises werden von einer unabhängigen Jury aus der Hamburg Aviation Community gekürt: Dr. Anna Bauch, Airbus Operations GmbH Hamburg, Jan Eike Blohme-Hardegen, Ham-burg Airport, Friederike Fechner, Sophia.t gGmbH, Dr. Felix Flöter, Lufthansa Technik AG, Prof. Dr. Dragan Kozulovic, HAW Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Dr. –Ing. Florian Linke, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Lars Meyer, Treo – Labor für Umweltsimulation GmbH, Prof. Dr.-Ing. Thorsten Schüppstuhl, TUHH Techni-sche Universität Hamburg und Univ.-Prof. Dr.-Ing. Robert Weidner, Universität Inns-bruck/Helmut Schmidt-Universität Hamburg.
Jubiläum mit neuen Spielregeln: 60. Hamburg Aviation Forum widmet sich „Game Changer“ in der Branche
Fundamentale Veränderung, das war auch das Stichwort des Jubiläums-Forums im Hotel Hafen Hamburg, in dessen Rahmen der Hamburg Aviation Nachwuchspreis verliehen wurde. Unter dem Motto „Game Changer“ blickten Branchenexperten auf die aktuell be-sonders diskutierten Themenfelder der Luftfahrt. Nico Buchholz, langjähriger Flottenver-antwortlicher des Lufthansa-Konzerns und CPO Bombardier sowie Gründungspartner von Flightlevel 500, warf einen Blick auf die aktuelle Ausgangslage, gefolgt von einem Über-blick zu Entwicklungen im Bereich Wasserstoff für den Luftfahrtstandort Hamburg, vor-gestellt von Dr. Felix Flöter/Lufthansa Technik und DLR-Gründungsdirekter Dr. Björn Na-gel. Dass die Energiewende nur mit erneuerbaren Kraftstoffen möglich sei, betonte Ca-phenia-Investor Dr. Helge Sachs in seinem Impuls. Sebastian Törsleff, Forschungsgrup-penleiter an der Helmut-Schmidt-Universität, öffnete den Luftraum über dem Hamburg Aviation Forum für das Thema U-Space, das am Hamburger Himmel seit Sommer etab-lierte, europaweit einmalige Reallabor für die Anwendung von Urban Air Mobility.
Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann: „Das Hamburg Aviation Forum ist eine Institution, die 60. Ausgabe spricht für den großartigen Erfolg dieser Reihe. Nach nun fast zwei Jahren ist wieder ein persönlicher Austausch vor Ort möglich. Das hat uns allen gefehlt, gerade in der Luftfahrt gibt es viel zu besprechen. Denn es ist eine Zeit der Veränderungen! Neue Spielregeln haben sich etabliert: nicht nur als Nachwirkungen der Pandemie, sondern insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels. Wie kön-nen wir morgen wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll fliegen? Darauf müssen wir Antworten liefern, gerade in Hamburg als weltweit drittgrößter ziviler Luftfahrstandort müs-sen wir dazu sprachfähig sein. Auch dafür ist das Hamburg Aviation Forum wichtig. Ich sehe in erster Linie Chancen, unsere Kompetenzen auszubauen und unsere Stärken einzubringen. Wir haben hervorragende Voraussetzungen. Lassen Sie sie uns diese gemein-sam für einen starken Luftfahrtstandort in der Metropolregion Hamburg nutzen.“