In seiner kooperativen Promotion von HAW Hamburg und der Technischen Universität München (TU München) entwickelte Dr. Andreas Johanning eine "Methodik zur Ökobilanzierung im Flugzeugvorentwurf".

Ausgangspunkt war die Frage, wie ein Flugzeug aussehen müsse, damit die Ökobilanz möglichst gut ausfällt. Die Arbeit ging vom Spitzenclusterprojekt Airport2030 aus und wurde über ein Stipendium der Deutsche Bundesstiftung Umwelt verlängert.

HAW Hamburg: Herr Dr. Johanning, wie sind Sie vorgegangen - was haben Sie untersucht?

Dr. Andreas Johanning: Eine Ökobilanz wird auch Lebenszyklusanalyse genannt. Meine Untersuchung erstreckte sich über den gesamten Lebenszyklus - von der Flugzeugentwicklung, über die Produktion und den Betrieb der Flotte bis zur Entsorgung. Berücksichtigt werden dabei die sogenannten Entnahmen aus der Umwelt wie Rohöl zur Kerosinherstellung. Außerdem die Emissionen in die Umwelt wie Kohlenstoffdioxid - als Verbrennungsprodukt von Kerosin während des Fluges - und dadurch verursachte Umweltwirkungen. Vorhandene Methoden zur Bestimmung der Umweltwirkung habe ich angepasst, um sie auf die Untersuchung von Flugzeugen anwenden zu können. Dabei musste insbesondere die Höhenabhängigkeit der Umweltwirkung bei der Emission von Schadstoffen berücksichtigt werden. Über Abschneidekriterien wurden die wesentlichen In- und Outputs der einzelnen Prozesse ermittelt. Auf diese Weise konnte ich eine übersichtliche Methodik entwickeln, die flexibel auf unterschiedliche Entwürfe angewendet werden kann.

Welche Parameter beeinflussen die Ökobilanz am meisten?

Die Umweltwirkung eines Flugzeugs ist hauptsächlich gekennzeichnet durch die Wirkungskategorien Klimawandel, Abbau fossiler Ressourcen und Feinstaubbildung. Alle drei Kategorien werden maßgeblich durch den Kraftstoffverbrauch beim Betrieb des Flugzeugs beeinflusst. Der Kraftstoffverbrauch ist dabei natürlich wiederum von den klassischen Parametern des Flugzeugbaus abhängig - insbesondere aus den Fachgebieten Flugzeugentwurf, Aerodynamik, Triebwerksbau und Leichtbau. Darüber hinaus spielt die Flughöhe eine wichtige Rolle für die Umweltwirkung in der Kategorie Klimawandel.

Die Ökobilanz von Flugzeugen kann also vor allem verbessert werden, indem der Kraftstoffverbrauch gesenkt und die Flughöhe so angepasst wird, dass die Bildung von Kondensstreifen verringert wird - zum Beispiel durch Flughöhen unterhalb von etwa acht Kilometern. Der Kraftstoffverbrauch kann auch gesenkt werden, indem die Reisefluggeschwindigkeit verringert wird.

Bei unseren Entwurfsoptimierungen haben wir festgestellt, dass dies bei anhaltend hohen Kraftstoffpreisen sowohl aus ökologischen, als auch aus ökonomischen Gründen sinnvoll wäre. Die geringere Fluggeschwindigkeit würde dann auch die Auslegung eines Propellerflugzeugs begünstigen und zu den angestrebten geringeren optimalen Reiseflughöhen führen.

Gibt es einen Flugzeugtyp, der eine besonders gute Ökobilanz hat?

In unserer Forschungsgruppe beschäftigen wir uns mit Passagierflugzeugen. Mit Blick auf die zu erstellenden Ökobilanzen hatten wir schon im Forschungsprojekt Airport2030 u.a. ein Propellerflugzeug für bis zu 180 Passagiere entworfen. In den Entwurf haben wir diverse neue Technologien und Entwurfsideen einfließen lassen. Dieses neuartige Propellerflugzeug hat in der Ökobilanz sehr gut abgeschnitten.

Wieso haben Sie sich für ein Propellerflugzeug als Anwendungsbeispiel entschieden?

Flugzeuge mit Turboprop-Triebwerken (sogenannte Turboprops) weisen geringere Kraftstoffverbräuche als vergleichbare Flugzeuge mit Turbofan-Triebwerke (sogenannte Turbofans) auf. Ein Hauptnachteil von Turboprops ist, dass sie langsamer als Turbofans fliegen und damit weniger Passagiere pro Zeiteinheit befördern. Zu Zeiten des Entwurfs der heute eingesetzten Turbofans betrugen die Kraftstoffpreise einen Bruchteil des heutigen Preises, sodass der Nachteil des höheren Kraftstoffverbrauchs der Turbofans weniger stark ins Gewicht fiel. Bei hohen Kraftstoffpreisen könnten Turboprops, selbst bei ausschließlicher Betrachtung der Kosten, zukünftig den besseren Kompromiss zwischen hoher Fluggeschwindigkeit und niedrigem Kraftstoffverbrauch darstellen und damit ein potentieller Nachfolger der heute eingesetzten Turbofans sein.

Kann ein Propellerflugzeug leise sein?

Hierbei muss zwischen der Geräuschbelastung außerhalb und innerhalb des Flugzeugs unterschieden werden. Was den Außenlärm angeht schneiden Propellerflugzeuge sogar besser als vergleichbare Turbofan-Flugzeuge ab. Beim Innenlärm in der Kabine ist es umgekehrt. Der Innenlärm kann allerdings durch entsprechende Auslegung im Entwurf auf das gewünschte Niveau gebracht werden.

Wie sieht das Flugzeug der Zukunft aus?

Hierzu existieren natürlich viele unterschiedliche Ideen und Konzepte. Beispielsweise wurden in meiner Forschungsgruppe an der HAW Hamburg auch verschiedene unkonventionelle Flugzeugkonfigurationen, wie der Blended Wing Body oder das Box Wing Aircraft untersucht.

Auf der Kurz- und Mittelstrecke favorisiere ich für die nächste Flugzeuggeneration ein innovatives Propellerflugzeug für eine Flugzeugfamilie mit ca. 100 bis 200 Sitzen. Durch seinen geringen Kraftstoffverbrauch hätte ein solches Flugzeug eine gute Ökobilanz und würde bei hohen Kraftstoffpreisen auch ökonomisch sehr gut abschneiden. Mit diesem recht konventionellen Entwurf kann eine Zulassung auf vorhandene Vorschriften erfolgen sowie Entwicklungsrisiken und -kosten begrenzt werden.

Inwieweit trägt ihre Arbeit zum Umweltschutz bei - auch weil Sie über ein Stipendium der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert wurden?

Die Europäische Union hat ambitionierte Ziele bezüglich des Umwelteinflusses zukünftiger Flugzeuge veröffentlicht. Bis heute stellt jedoch eine Minimierung der Betriebskosten das mit Abstand wichtigste Entwurfsziel im Flugzeugvorentwurf dar. Zukünftig könnte eine stärkere Gewichtung geringer Umweltwirkung als Entwurfsziel den Entwurf umweltschonenderer Flugzeuge ermöglichen. Voraussetzung einer solchen stärkeren Gewichtung von Umweltfaktoren ist aber, dass diese im Flugzeugvorentwurf überhaupt erst erfasst werden. Genau hier setzt meine Arbeit an - mit der entwickelten Methodik kann die Umweltwirkung im Flugzeugvorentwurf ermittelt werden, was den gezielten Entwurf umweltschonenderer Flugzeuge möglich macht.

Was war Ihre persönliche Motivation, sich mit einer Methodik zur Ökobilanzierung im Flugzeugentwurf zu beschäftigen?

Der Flugzeugentwurf hat mich schon länger in hohem Maße interessiert. Man beschäftigt sich mit der Grundfrage des Flugzeugbaus: Wie muss ein Flugzeug aussehen, damit die gestellten Anforderungen bestmöglich erfüllt werden? Konsens ist heute, dass zu diesen Anforderungen auch solche des Umweltschutzes gehören. Offen ist aber weiterhin, wie beispielsweise ökonomische und ökologische Anforderungen gemeinsam am besten erreicht werden können. Zu diesem komplexen und hochinteressanten Themenfeld wollte ich gerne einen Beitrag leisten.

(Interview: Katharina Jeorgakopulos, Moritz Heitmann)

Weitere Informationen: Dissertation von Dr. Andreas Johanning