Die Luftfahrt gilt im Vergleich zu anderen Branchen als wenig dynamisch – die Realisierung technischer Innovationen dauert im Flugzeugbau in der Regel viele Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte. Zudem ist die aktuelle Krise für viele ein unerwartetes Ereignis und stellt zahlreiche Unternehmen vor große, bis dato unbekannte Problemstellungen. Ein Kommentar von Gerald Unger, CEO von ARTS.

Wir befinden uns bereits zum jetzigen Zeitpunkt in dem N ew Normal der Luftfahrt, dass in keinster Weise mehr mit dem vergleichbar ist und auch nicht sein kann, was wir vor der Pandemie als normal empfunden haben. Corona wirkt als Katalysator für die Veränderungsnotwendigkeit der Branche. Insbesondere für die Herausforderungen zu Klima-, Nachhaltigkeits- und Umweltthemen sind durch Technologieinnovationen sowie neue Mobilitätskonzepte, adäquate Antworten zu finden. Diese, bereits vor der Krise intensiv im gesellschaftlichen Diskurs behandelten Themen müssen jetzt zusammen mit Fragen der Pandemiebewältigung beantwortet werden. Drei Themenfelder sehe ich hier klar im Fokus, die das Potenzial bieten, gestärkt aus der Corona-Krise hervorzugehen.

Umweltfreundliche Technologien
Innovationen und zukunftsfähige Technologien zur Verbesserung der Klima- und Umweltbilanz sowie zur Verbesserung der gesellschaftlichen Akzeptanz des Fliegens sind zukunftsentscheidend. Die Notwendigkeit zur Transformation der Luftfahrtindustrie zeichnete sich bereits vor der Corona-Pandemie ab. Jetzt rücken die bestehenden Herausforderungen des konventionellen Fliegens verstärkt in den kritischen Fokus. Egal ob es exemplarisch um die Verbesserung von Leichtbaukonzepten durch Designoptimierung und additive Fertigungsverfahren, die Hybridisierung von Antriebskonzepten oder der Einsatz alternativer Energieträger wie Biofuel oder hydrogen geht - die technischen Antworten hierfür lassen sich bereits heute realisieren und müssen umgehend in die konventionelle Technik integriert werden.

Neue Mobilitätskonzepte
Des Weiteren werden neue Mobilitätskonzepte, die heute noch futuristisch scheinen, offene Fragen zum Fliegen beantworten. Lilium, Volocopter und Uber Air Taxis sind nur einige Beispiele, die das Prinzip aviation-as-usual hinterfragen und versuchen, andere Lösungskonzepte zu realisieren. Diese Start-ups sind von der Krise kaum betroffen. Lufttaxis und Co. haben das Potenzial, zukünftig das New Normal eines dezentralisierten und individuellen Fliegens zu beschreiben und bahnbrechend zu gestalten. Nicht nur das Partizipieren an solchen Trends, sondern das aktive Mitgestalten solcher Visionen bieten enorme Chancen.

Anpassungsvermögen
Die Voraussetzung diese beiden Themenfelder zu gestalten oder sogar unternehmerisch besetzen zu können, wird die Fähigkeit zur Anpassung der eigenen Struktur, der eigenen Organisation und somit des Unternehmens darstellen. Zur Krisenbewältigung und noch wichtiger, zur aktiven Chancennutzung sind Innovationskultur, Transformationsfähigkeit, Anpassung der Arbeit und Neugestaltung von Wertschöpfung sowie Arbeitsteilung wichtige Aspekte. Wer in der Luftfahrt jetzt seine Kernkompetenzen neu denkt und adaptieren kann sowie in der Lage ist, sein Geschäftsmodell anzupassen, wird auch zukünftig erfolgreich sein!
Ich glaube weiterhin an das Mobilitätsbedürfnis der Menschen und daran, dass wir auch in Zukunft fliegen werden. Dazu haben wir die Vorzüge, möglichst schnell, einfach und bezahlbar von A nach B zu kommen, zu sehr schätzen gelernt - sicher aber in anderer Ausprägung. Auch wenn das New Normal zum heutigen Zeitpunkt schwer zu beschreiben ist, gilt es den Weg in die Zukunft aktiv zu gestalten. Eines steht fest: Ein Zurück zum Pre-Pandemie-Status, wird es nicht geben. Erfolg entscheidet sich zukünftig durch das Veränderungs- und Innovationsvermögen jeder einzelnen Organisation.