Professor Claus Emmelmann, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Additive Produktionstechnologien IAPT, in den Hamburg News über die Möglichkeiten von 3D

"Hamburg ist auf dem besten Weg, ein führender Standort für Forschung und Innovation in Europa zu werden. Mit den Bereichen 3D-Druck und Nanotechnologie haben wir Zukunftsfeldererschlossen, die wesentliche Innovationstreiber und Entwicklungsmotoren für unsere Stadt sein werden", erklärte Wissenschaftssenatorin und Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank Ende Januar bei der feierlichen Unterzeichnung der Standortvereinbarung im Hamburger Rathaus zwischen der Fraunhofer-Gesellschaft und der Freien und Hansestadt Hamburg.

Seit dem 1. Januar 2018 ist das Laser Zentrum Nord (LZN) in die Fraunhofer-Gesellschaft als Fraunhofer-Einrichtung für Additive Produktionstechnologien IAPT, kurz Fraunhofer IAPT, eingegliedert worden. Und Mitte Februar ging das 3D-Druck-Netzwerk Hamburg an den Start, das durch Wissenstransfer und Kooperationsprojekte 3D-Druck-Know-how gerade auch in kleine und mittlere Unternehmen tragen will. Das IAPT ist Mitglied in diesem Netzwerk. Über die vielfältigen Chancen der Additiven Fertigung, des 3D Drucks, sprach Hamburg News mit Institutsleiter Professor Dr.-Ing. Claus Emmelmann, der auch bereits die Gründung des LZN initiiert hatte.

Hamburg News: Herzlichen Glückwunsch zur Aufnahme in die Fraunhofer-Gesellschaft, Professor Emmelmann. Das ist ein toller Erfolg für das von Ihnen langjährig geführte LZN. Können Sie das Institut, jetzt IAPT, bitte kurz skizzieren?

Professor Emmelmann: Die Fraunhofer-Gesellschaft ist die weltweit führende Organisation in der angewandten Forschung und das IAPT ist eine anwendungsorientierte Forschungseinrichtung zur Weiterentwicklung der 3D-Druck-Technologie. Unser Schwerpunkt liegt in vier Disziplinen: Design, Prozesse, Fabrikplanung und Digitalisierung. Neben der Forschung geht es darum, die Industrie - vor allem auch kleine und mittlere Unternehmen - in die zukunftsweisende Technologie 3D-Druck einzuführen. Das geschieht vor allem über unsere Additiv-Academy, in der wir bereits jährlich 500 industrielle Mitarbeiter ausbilden - darunter die Ingenieure von Bugatti, wo ein im 3D-Druckverfahren hergestellter Bremssattel nun in Serie gehen soll.

Hamburg News: Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen scheuen noch die hohen Innovationskosten, die mit dem 3D-Druck verbunden sind. Das IAPT bietet deshalb spezielle Dienstleistungen aktuell noch kostenlos an?

Professor Emmelmann: Tatsächlich haben wir im IAPT eine Plattform geschaffen, um Innovationshürden abzubauen, den Unternehmen den Weg zu neuen Technologien zu ebnen und sie in die Lage zu versetzten mit unserer Hilfe zu erkennen, wann und wo beispielsweise bestimmte Bauteile 3D-druckfähig sind. Diese Unterstützung bieten wir in der ersten Phase des IAPT für KMUnoch kostenlos an. Wir erkennen dabei umgekehrt das Potenzial der jeweiligen Unternehmen und können über nächste Schritte wie etwa Re-Engineering sprechen, also eine optimierte Reproduktion einzelner Teile.

Hamburg News: Ganz grundsätzlich: Was macht den 3D-Druck so revolutionär?

Professor Emmelmann: Beim 3D-Druck werden Bauteile nicht mehr geometrisch gestaltet, durch Gießen, Bohren oder Fräsen, sondern additiv - also schichtweise - aufgebaut. Das erlaubt Konstruktionen mit einer beliebigen, bisher nicht vorstellbaren Komplexität, sowie durch die Natur inspirierte, bionische Konstruktionen. Und die sich daraus ergebenden Vorteile sind ökonomisch und ökologisch revolutionär! So sind Gewichtsreduktionen von bis zu 80% möglich. Ein einziges, in einem Flugzeug eingespartes Kilo führt zu sechs Tonnen CO2, die weniger emittiert werden. Und bezogen auf den Lebenszyklus eines Flugzeugs sprechen wir von einer halben Million Liter Kerosin weniger - um nur ein Beispiel zu nennen. Und das ist nur der Anfang. Der 3D-Druck birgt enorme Wachstumsraten. Eine Studie von Roland Berger aus dem Jahr 2016 geht von einem jährlichen Branchenwachstum von mehr als 40 Prozent weltweit aus.

Hamburg News: Wo werden wir den 3D-Druck in naher Zukunft vor allem sehen und wo liegen die Schwerpunkte und Chancen in Hamburg?

Professor Emmelmann: Wir werden die 3D-Drucktechnologie vor allem in der Flugzeug-, Automobil-, Schiffs- und Maschinenindustrie sowie in der Medizintechnik sehen. So bietet beispielsweise der 3D-Druck im Vergleich zur traditionellen Implantate-Herstellung vielfältige Vorteile - von größerer Passgenauigkeit bis zur Langlebigkeit, da ein bionisches Implantat über bessere isoelastische Eigenschaften verfügt und so länger im Körper verbleiben kann.

Hamburgs Chancen liegen stark im Flugzeugbau, wo wir einen deutlichen Forschungsvorsprung haben. So war das LZN 2014 als Kooperationspartner von Airbus unter den Finalisten für den Innovationspreis der deutschen Wirtschaft sowie zum Deutschen Zukunftspreis 2015. Die Chancen der neuen Technologie betreffen dabei keineswegs nur die Big Player im Flugzeugbau, wie etwa Airbus. Große Unternehmen arbeiten generell intensiv mit Zulieferern zusammen, die es jedoch heute mit der nötigen Expertise noch nicht in ausreichendem Maße gibt. Das eröffnet uns die Chance, neue Kompetenzen aufzubauen. Diese Kompetenz-Entwicklung ist ein wichtiger Standortfaktor. Wir erleben heute bereits ein großes Interesse seitens internationaler Unternehmen, die sich hier ansiedeln wollen, um von der hier ansässigen Expertise und dem Kompetenzvorsprung zu profitieren. Das macht Hamburg als Standort zunehmend attraktiver.

Interview: Yvonne Scheller

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